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Mit steigender Interessensvielfalt im ländlichen Raum nehmen die Konflikte zu. Die Landwirtschaftliche Planung (LP) hat sich als informelles Verfahren zur Koordination der räumlichen Entwicklung bewährt, benötigt vor diesem Hintergrund der Interessenvielfalt aber neue Informations- und Kommunikationsprozesse. Vor allem in einer frühen Phase des Prozesses scheint der Einsatz eines Skizzentools zur Veranschaulichung des Landschaftswandels hilfreich zur Kommunikation und zur gemeinsamen Lösungsfindung. Mit Hilfe des Skizzentools können Fachplanerinnen und Fachplanern, Landwirtinnen und Landwirten sowie weiteren interessierten Personen mögliche Auswirkungen von Entwicklungen beispielsweise der Infrastruktur oder der Landnutzungen anschaulich vor Augen geführt werden. Im Rahmen der Weiterentwicklung der LP hat die Professur PLUS (ETH Zürich) in Zusammenarbeit mit sofies-emac zwei Pilotprojekte im Kanton Waadt durchgeführt, um neue Elemente der LP zu testen: eines im Bezirk Morges, das andere in der Rhône-Ebene im Bezirk Aigle.

Die Landwirtschaftliche Planung (LP) ist ein bewährtes informelles Planungsverfahren zur Koordination der räumlichen Entwicklung. Sie bindet die Landwirtschaft in raumbezogene Planungen und Projekte ein und stimmt damit die landwirtschaftliche Entwicklung mit weiteren Themenbereichen der Raumentwicklung ab. Dies betrifft insbesondere die Gestaltung der Raumnutzung mit Blick auf das revidierte Raumplanungsgesetz (RPG), auf Gewässerrevitalisierungen und Ortsplanungen, auf Vernetzungs-, Landschaftsqualitäts- und Infrastrukturprojekte sowie auf das Bauen ausserhalb der Bauzone.

Das Instrument der Landwirtschaftlichen Planung hat das Potenzial, insbesondere im ländlichen Raum vielfältige Entwicklungen zu koordinieren. Um die verschiedenen Interessen dort zu bündeln und synergetisch zu nutzen, müssen jedoch die Informations- und Kommunikationsprozesse innerhalb des LP-Prozesses ausgebaut werden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens haben das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und sieben Kantone deshalb die Professur PLUS der ETH Zürich sowie als Praxispartner das Büro sofies-emac damit beauftragt, die LP weiterzuentwickeln.

Die LPs in Aigle und Morges dienten im Rahmen des Forschungsvorhabens als Pilotprojekte, um einzelne Aspekte einer neu entwickelten Online-Plattform in der Praxis zu überprüfen. Wie in der Wegleitung zur Landwirtschaftlichen Planung vorgeschlagen, fand in mehreren Workshops die Mitwirkung lokaler und regionaler Akteure statt: Im Rahmen einer SWOT-Analyse trugen die Teilnehmenden der LP sowohl die Stärken und Schwächen als auch die Risiken und Chancen der jeweiligen Region zusammen. Darauf aufbauend entwickelte das Projektteam Strategien, um unerwünschten Trends entgegenzuwirken und die Stärken der Region zu nutzen. Diese Strategien wurden im zweiten Workshop weiterentwickelt und anschliessend einzelne Themen vertieft. In den folgenden Workshops wurden schliesslich konkrete Ziele für die Region definiert und praktisch umzusetzende Massnahmen ausgearbeitet. Regelmässige Abstimmungen mit der Begleitgruppe und den Auftraggebern begleiteten die Workshops.
 

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Skizzenhafte 360°-Darstellung der aktuellen Situation in Morges
 

Zoom: ab2019_lp_aigle_morges_skizze.jpg

Von den Workshopteilnehmern erstellte Ideallandschaft von Morges als 360°Skizze

Skizzieren und Diskutieren im «Atelier Expérimental»

In dieses klassische Vorgehen wurde ein sogenanntes «Atelier Expérimental» integriert. Es diente dazu, einzelne Aspekte einer an der ETH entwickelten Online-Plattform zu testen, welche die einzelnen Arbeitsschritte einer LP unterstützen soll.

Die Plattform setzt sich aus verschieden Modulen zusammen:

  • Eine Prozessoberfläche stellt die wichtigen Informationen zum Prozessablauf zur Verfügung und beinhaltet eine Dokumentablage sowie die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Anmerkungen anzubringen.

  • Ein Kartenmodul stellt relevante Geodaten des Bundes und des Kantons zur Verfügung sowie allenfalls regions- und prozessspezifische räumliche Informationen wie beispielsweise Karten zu Landnutzungsszenarien, die mögliche zukünftige Entwicklungstrends zeigen. Dieses Modul stellt zudem räumliche Indikatoren zur Verfügung, um den heutigen Zustand und allenfalls zukünftige Zustände besser beurteilen zu können.

  • Das Skizzentool erlaubt es, die Charakteristik des heutigen Landschaftsbildes und Szenarien für mög

  • liche zukünftige Entwicklungen darzustellen. Die skizzenartigen Darstellungen sind bewusst generisch, d. h. ohne spezifischen Ortsbezug gestaltet. Sie zeigen jedoch die Charakteristika der Landschaft des Projektgebiets. Mit sogenannten Pinseln können Nutzerinnen und Nutzer der Plattform die Skizzen

Das Atelier Expérimental fand im Oktober 2018 in Lausanne statt. Es hatte zum Ziel, die bisher erarbeiteten Massnahmen in einen übergeordneten Kontext zu stellen und bezüglich ihrer Wirkung auf die Landschaft zu beurteilen.

Die beteiligen Personen erarbeiteten im Atelier mit Hilfe des Skizzentools zunächst ihre Ideallandschaft der Region. Im Plenum wurde diskutiert, ob die jeweiligen Ideallandschaften die bislang erarbeiteten Herausforderungen und Ziele berücksichtigen und inwieweit die vorgeschlagenen Massnahmen mit diesen Landschaften vereinbar seien.

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die skizzenhaften Darstellungen wertvoll seien, um Auswirkungen von Planungen auf die Region und ihre Landschaft zu zeigen und Projekte besser beurteilen zu können. So können z. B. mögliche Projektanpassungen visualisiert werden, was zu einer besseren Akzeptanz führen könne. Auch würden visuell dargestellte Ideen leichter verstanden als textliche Erläuterungen. Das Zeichnen der Skizzen bewirke zudem, dass innerhalb der Gruppe über die eigenen Vorstellungen und Wünsche diskutiert wurde.

Skizzentool zur Visualisierung

Das Skizzentool wurde mit dem Ziel entwickelt, den frühen LP-Prozess und insbesondere die Erarbeitung einer gemeinsamen Vision zu unterstützen. Dieses Anwendungsgebiet sahen auch die Teilnehmenden: Sie konnten grossmehrheitlich mit dem Skizzentool umgehen, nutzten die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Darstellung der Landschaft und diskutierten über die erstellten Skizzen bzw. setzten diese in der Diskussion über die Entwicklung der Region ein. Die Teilnehmenden betonten, dass sich die selbst angefertigten Skizzen und auch die vorgefertigten Skizzen unterschiedlicher Szenarien dazu nutzen lassen, verschiedenen Beteiligten in einem Planungsprozess mögliche Auswirkungen von Entwicklungen beispielsweise der Infrastruktur oder der Landnutzungen vor Augen zu führen.
 

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Das in die Online-Plattform eingebettete Skizzentool erlaubt es, das heutige Landschaftsbild und Szenarien darzustellen und zu bearbeiten.


Insbesondere die aktive und kreative Arbeit mit dem Skizzentool hat die fachgebietsübergreifende Diskussion über die zukünftige Entwicklung bzw. über die Frage, was denn die ideale Landschaft sei, unter den Teilnehmern sowohl stimuliert als auch unterstützt.

Für eine spätere Phase des Planungsprozesses, wenn konkrete Massnahmen zu definieren sind und ihre Auswirkungen auf einen bestimmten Ausschnitt des Raumes beurteilt werden sollen, schlugen die Teilnehmenden präzisere Visualisierungen mit Raumbezug vor.

Ausblick: Hilfsmittel ausbauen und Prozess weiterdenken

Die Plattform und die darin integrierten Hilfsmittel werden in einer weiteren Pilot-LP in der Wauwiler Ebene (Kanton LU) eingesetzt. Dort werden neben dem Skizzentool auch Hilfsmittel für die räumliche Darstellung von Landnutzungen und verschiedene Indikatoren zur Anwendung kommen. Diese Pilot-LP soll auch genutzt werden, um den Prozess der LP weiterzudenken und beispielsweise in Iterationen besser auf neue Erkenntnisse aus dem Prozess einzugehen.

Sven-Erik Rabe, ETH Zürich; rabes@ethz.ch

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