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Ernährungssicherheit bedeutet, dass die Bevölkerung jederzeit Zugang zu einer ausreichenden Menge von hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln hat. Dies ist heute in der Schweiz der Fall. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist aber auch in einem wirtschaftlich erfolgreichen Land wie der Schweiz nicht selbstverständlich. Die Sicherstellung der Ernährungssicherheit hängt massgeblich von der Gestaltung nachhaltiger Ernährungssysteme ab. Ein Ernährungssystem gilt als nachhaltig, wenn es die Ernährungssicherheit und Ernährung für jeden Menschen sicherstellt. Dabei sind die ökonomischen, sozialen und ökologischen Grundlagen für die Gewährleistung von Ernährungssicherheit und Ernährung zukünftiger Generationen nicht zu beeinträchtigen.

Ein nachhaltiges Ernährungssystem für die Aufrechterhaltung der Ernährungssicherheit betrifft damit nicht nur die Agrarpolitik, sondern eine Vielzahl weiterer sektoraler Politiken. Mit der Annahme der Eidgenössischen Volksinitiative für Ernährungssicherheit im September 2017 sprach sich die Schweizer Bevölkerung für eine Verankerung der Ernährungssicherheit in Artikel 104a der Bundesverfassung aus. Diese Bestimmung definiert die folgenden Eckpfeiler, mit denen die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Lebensmitteln langfristig gesichert werden soll:

  • Der Erhalt der landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen, insbesondere des Kulturlandes;

  • eine standortangepasste und ressourceneffiziente Inlandproduktion;

  • eine auf den Markt ausgerichtete Land- und Ernährungswirtschaft;

  • grenzüberschreitende Handelsbeziehungen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit;

  • ein ressourcenschonender Umgang mit Lebensmitteln, insbesondere die Reduktion von Lebensmittelabfällen.

Der Artikel 104 a Buchstabe d verlangt vom Bund, Bedingungen für grenzüberschreitende Handelsbeziehungen zu schaffen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen.

Am 23. August 2019 schlossen die vier EFTA-Mitglieder (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz) mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) in dieser Sache ein Handelsabkommen ab. Dieses Abkommen enthält ein Kapitel, das sich ausschliesslich der Nachhaltigkeit innerhalb der Handelsbeziehungen widmet. Was die Bereiche Landwirtschaft und Ernährung betrifft, enthält dieses Kapitel einen Artikel zu Handel, nachhaltiger Landwirtschaft und nachhaltigen Ernährungssystemen. Dieser Artikel hat das Ziel, eine nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltige Ernährungssysteme zu fördern durch:

  1. einen Austausch von Informationen, Erfahrungen und guten Praktiken bezüglich nachhaltige Landwirtschaft und nachhaltige Ernährungssysteme;

  2. einen regelmässigen Dialog über Aspekte der Nachhaltigkeit, des Handels, der nachhaltigen Landwirtschaft und nachhaltiger Ernährungssysteme;

  3. einen Bericht über die Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und nachhaltigen Ernährungssystemen, die basierend auf dem Einsatz und der Entwicklung landwirtschaftlicher Praktiken und Technologien erzielt werden, damit die kontinuierliche Weiterentwicklung gewährleistet ist.

Zwischen den EFTA- und Mercosur-Staaten wurde vereinbart, den Dialog auf einen international anerkannten Rahmen, nämlich auf die Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 (Agenda 2030), zu stützen.

Dass Artikel zu Handel, nachhaltiger Landwirtschaft und nachhaltigen Ernährungssystemen in Handelsabkommen (sowohl neuen als auch bestehenden) berücksichtigt werden, entspricht den Anforderungen der Verfassung (Art. 104a Buchst. d) und trägt zur Erreichung der 17 Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bei.

Schweizerisches nationales FAO-Komitee (CNS-FAO)

Die Schweiz setzt sich auf internationaler Ebene führend und mit Nachdruck für die dringend erforderliche Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme ein. Aufgrund der wichtigen Rolle der Agrarökologie in diesem Transformationsprozess hat das «Schweizerische nationale FAO-Komitee (CNS-FAO)», ein Konsultativorgan des Bundesrats für Fragen zur Ernährungssicherheit und nachhaltigen Ernährungssystemen, ein Diskussionspapier zum Thema «Die Agrarökologie als Mittel zur Erreichung der SDG» veröffentlicht. Es bezweckt, die Schweizer Regierung und die interessierten Akteure über die Agrarökologie und ihre Herausforderungen zu informieren, und knüpft an die internationalen Diskussionen an, die von der FAO und dem Ausschuss für Welternährungssicherheit (CFS) geführt werden.

Anlässlich der alljährlichen ETH-Studienreise an die FAO, hat das CNS-FAO zusammen mit der Mission in Rom, zu einem Side Event eingeladen, um das Diskussionspapier zu präsentieren und diskutieren. Fast 100 Leute waren anwesend. Auf dem Panel sassen Vertreterinnen und Vertreter und des Privatsektors, von Bauernorganisationen (u.a. World Farmer Organisation), eine Forschungsinstitution (CIRAD) und eine ETH-Studentin. Die Arbeit des CNS-FAO wurde geschätzt, das Papier sehr konstruktiv diskutiert und evaluiert. Dass ein Multi-Stakeholder Komitee, mit einem breiten Spektrum an Meinungen und Perspektiven, ein solches Papier verabschieden konnte, wurde von mehreren Panelisten und Anwesenden als Best-Practice genannt.
 

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Das CNS-FAO Diskussionspapier zu Agrarökologie wurde in Rom präsentiert. Es bezweckt, die Schweizer Regierung und die interessierten Akteure über die Agrarökologie und ihre Herausforderungen zu informieren.


Weitere Schwerpunktthemen des CNS-FAO in der laufenden Legislaturperiode (2016 – 2019) waren nachhaltige Ernährungssysteme und Ernährung, die globale Konzentra-tion von Saatgut und Pestizidfirmen, Jugend in der Landwirtschaft sowie Urbanisierung und ländlicher Wandel.

Weitere internationale Programme und Initiativen, in welchen sich die Schweiz für Ernährungssicherheit und mehr Resilienz gegenüber Veränderungen einsetzt, sind die Globale Agenda für nachhaltige Nutztierhaltung (GASL) und die «Mountain Partnership» (MP) zur Förderung einer nachhaltigen Bergentwicklung.

Globale Agenda für nachhaltige Nutztierhaltung

Das BLW arbeitet weiterhin mit der FAO und anderen Partnern an der globalen Agenda für nachhaltige Nutztierhaltung (Global Agenda for Sustainable Livestock, GASL). Es sind grosse Anstrengungen in der Agrarforschung und Investitionen – verbunden mit einer soliden Gouvernanz – nötig, damit der Nutztiersektor weltweit den Anstieg der Nachfrage nach Lebensmitteln tierischen Ursprungs und die sich verändernden Bedürfnisse der Bevölkerung bewältigen kann. Gleichzeitig besteht der Anspruch an den Sektor, einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut, zur Verbesserung der Ernährungssicherheit sowie zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit des Menschen zu leisten.

Das Ziel von GASL ist eine langfristig nachhaltige Entwicklung des Nutztiersektors, unter anderem durch effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen. Die Initiative beschäftigt sich dabei mit Themen der globalen Ernährungssicherheit und der öffentlichen Gesundheit, mit gerechtem Wachstum sowie mit natürlichen Ressourcen und Klimawandel. Die Agenda 2030 stellt dabei ihren wichtigsten strategischen Bezugsrahmen dar. Die GASL zählt über 100 Partner, namentlich Regierungen, Landwirte, Akteure des Privatsektors und der Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Forschungsgemeinschaften. Ihr Sekretariat befindet sich am Hauptsitz der FAO in Rom.

Im Mai 2019 hat die GASL einen neuen Aktionsplan für den Zeitraum 2019 − 2021 verabschiedet, mit dem Ziel, den politischen Dialog über Fragen der Nachhaltigkeit der Nutztierhaltung zu verbessern, evidenzbasierte Daten zu produzieren und zu verbreiten und den Wandel der Nutztierhaltungspraxis und -politik zu fördern. Instrumente,
die im Rahmen der GASL entwickelten werden, wie beispielsweise die Analysemethoden der Livestock Environmental Assessment and Performance Partnership LEAP, finden Anwendung in der Praxis.

Das jährlich stattfindende internationale Multi-stakeholder Partnership (MSP) Meetingder GASL ist einer der wichtigsten Anlässe dieser Multi-Stakeholder-Initiative. Die Konferenz findet jedes Jahr in einem anderen Land statt und bietet eine Plattform für regionale und nationale Treffen zur nachhaltigen Entwicklung der Nutztierbranche. Die 10. Ausgabe des MSP-Meetings findet 2020 in der Schweiz statt, und zwar in Delémont. Sie wird vom Kanton Jura und der Fondation Rurale Interjurassienne (FRI) durchgeführt und wird sich mit dem Thema Multifunktionalität der Nutztierbranche auf globaler, regionaler und lokaler Ebene befassen.

Die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen fördern: die Mountain Partnership

Die Mountain Partnership (MP) ist ein transnationaler, freiwilliger Zusammenschluss von Staaten, zwischenstaatlichen Organisationen, Zivilgesellschaften und privaten Akteuren, die sich für die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete einsetzen und sich dazu verpflichten, ihre Anstrengungen zur Umsetzung der Agenda 2030 zu intensivieren. Die MP zählt 370 Mitglieder. Ihr Sekretariat wurde 2002 auf Initiative der Schweiz, Italiens, der FAO und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) ins Leben gerufen. Das Sekretariat befindet sich am Sitz der FAO in Rom.Die Hauptaufgabe der MP besteht darin, die Mitglieder bei der Umsetzung des gemeinsamen Programms zu unterstützen und die Kooperation zu fördern. Mit Blick auf die Umsetzung der Agenda 2030 hat die MP einen Handlungsrahmen für Berggebiete (Framework for Action) verabschiedet, der konkret den Aufbau von nachhaltigen Prozessen und die Schaffung eines politischen Rahmens vorsieht, der die landwirtschaftliche Resilienz von Bevölkerung und Umwelt in Berggebieten stärkt.

Am 11. Dezember 2018, am internationalen Tag der Berge, nahm die MP in Bern an einer Abendveranstaltung teil, die anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) organisiert wurde. In Zusammenarbeit mit Vertretern des BLW erörterte die SAB die Frage der Stärkung der nachhaltigen Ernährungssysteme und der Wertschöpfungsketten und stellte ihre Aktivitäten zur Förderung von Bergprodukten vor, die die landwirtschaftliche Biodiversität berücksichtigt sowie die lokale Wirtschaft und die Lebensgrundlage der Bergbevölkerung verbessert. Der internationale Tag der Berge wurde von der UNO initiiert, um die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, welche Relevanz den Berggebieten als Natur- und Lebensraums zukommt.

Ausserdem organisierte die MP während des Hochrangigen Politischen Forums (HLPF) 2019 am Sitz der UNO in New York zusammen mit der Schweiz und weiteren UNO- und staatlichen Akteuren eine Nebenveranstaltung zur Thematik des Klimawandels in Bergregionen.

Michael Hartmann, Michaël Sapin, Madeleine Kaufmann, Alwin Kopse,BLW, Fachbereich Internationale Angelegenheiten und Ernährungssicherheit, alwin.kopse@blw.admin.ch

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