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In der Schweiz ist die Zahl der Scheidungen seit Ende der 1960er-Jahre stark gestiegen. Von dieser Entwicklung sind auch Ehepaare aus der Landwirtschaft betroffen. Aufgrund der starken Verflechtung von Geschäftlichem und Privatem ist eine Ehescheidung in der Landwirtschaft besonders komplex. Der Landwirtschaftsbetrieb bietet einer Familie Arbeit, Lebensgrundlage, Wohnen und Freizeit und ist damit das zentrale Element im Leben einer Bauernfamilie: Eine Auflösung der Ehe hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten und für den Landwirtschaftsbetrieb.

Datengrundlage schaffen

Um eine ausführliche Datengrundlage über Scheidungen in der Schweizer Landwirtschaft zu erstellen, hat die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) zusammen mit Praxispartnern ein Forschungsprojekt durchgeführt, um zu analysieren, wie Scheidungsprozesse ablaufen, welche finanziellen, rechtlichen und betriebsbezogenen Entscheide gefällt werden, wo die grössten Diskussionspunkte im Scheidungsprozess liegen und wie Betroffene die finanzielle, betriebliche und soziale Situation nach der Scheidung beurteilen.

Die Datenerhebung erfolgte mittels einer schriftlichen Umfrage, welche im Frühjahr 2018 durchgeführt wurde. Der Fragebogen war sehr umfangreich und beinhaltete Fragen von der Hochzeit über die Trennung, Scheidung bis zur Situation heute. Von den 500 Personen, welche an der Umfrage teilnahmen, haben 25 geschiedene Bäuerinnen und 35 geschiedene Bauern den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Obwohl das Sample nicht repräsentativ ist, widerspiegelt es dennoch die Breite der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe betreffend Betriebsform, Betriebsgrösse sowie Durchschnittsalter der Betriebsleitenden. Um die Erkenntnisse aus der Umfrage zu vertiefen, wurden mit drei der teilnehmenden Bäuerinnen und vier Bauern zusätzlich ein Interview geführt. Die Resultate aus beiden Datenquellen wurdenden Praxispartnern präsentiert, durch sie validiert und mit ihren Praxiserfahrungen ergänzt.

Unterschiede zur übrigen Bevölkerung

Die Resultate der Umfrage zeigen, dass die durchschnittliche Ehedauer von der Hochzeit bis zur Scheidung in der Landwirtschaft mit 21 Jahren vergleichsweise hoch liegt gegenüber den 15 Jahren der gesamten Schweizer Bevölkerung. Die Frauen waren bei der Scheidung durchschnittlich 46 Jahre alt, die Männer 49 Jahre.

Bei der Eheschliessung waren sich in 65 % der Fälle ein oder beide Ehegatten über die rechtlichen Konsequenzen des Güterstandes bewusst. 35 % der Befragten antworteten hingegen, dass beide Ehegatten keine genaue Ahnung darüber hatten. Unabhängig vom Wissen über rechtliche Konsequenzen des Güterstands wurde von verschiedenen Seiten fachliche Hilfe in Anspruch genommen. Sowohl in der Umfrage als auch in den Interviews wurde die Wichtigkeit geäussert, dass eine solche Fachperson Kenntnisse über die landwirtschaftlichen Spezifika im Scheidungsfall verfügen sollte.
 

Umfrage zur Scheidung in der Schweizer Landwirtschaft

Frage: «Von wem wurde fachliche Hilfe in Anspruch genommen? 
AntwortmöglichkeitNennungen
Gemeinsamer Anwalt/Anwältin24 %
Landwirtschaftliche/r Berater/in24 %
Mediator/in18 %
Jede Partei hatte einen separaten Anwalt18 %
Punktuelle Rechtshilfe von aussen6 %
Ohne fremde Hilfe4 %
Interessengemeinschaft geschiedener & getrenntlebender Männer (IGM)4 %
Gericht2 %
Andere Antwort2 %

Quelle: HAFL 2019


Weiter wurde festgestellt, dass es in der Landwirtschaft mit 18 % beinahe doppelt so häufig zu einem strittigen Scheidungsverfahren («Kampfscheidungen») im Vergleich zur übrigen Schweizer Bevölkerung kommt (Anteil rund 10 %).

Folgen der Scheidung für den Betrieb

Bei der Erstellung der Scheidungskonventionen (Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung) diskutierten in der Landwirtschaft mehr als die Hälfte (53 %) der Paare am längsten über die güterrechtliche Auseinandersetzung, also der Aufteilung des Vermögens, bis sie sich einigen konnten. Von den Personen, welche ohne strittiges Verfahren zu einer Einigung kamen, haben 72 % bewusst auf eigene Ansprüche verzichtet. Die Frauen verzeichneten dabei eine 3,3 Mal höhere Wahrscheinlichkeit zu verzichten als Männer. Der häufigste genannte Grund für den Verzicht war das Weiterbestehen des Landwirtschaftsbetriebes. Diesbezüglich zeigte sich dann auch, dass kein Landwirtschaftsbetrieb aufgrund der Scheidung ausserhalb der Familie verkauft werden musste. In 83 % der Fälle hat ein Ehegatte den Landwirtschaftsbetrieb als Selbstbewirtschafter/in weitergeführt. Praxispartner bestätigen dieses Resultat, wobei ihnen einzelne Fälle bekannt sind, in denen der Landwirtschaftsbetrieb in Folge einer Scheidung familienextern verkauft werden musste. Dies sei aber auf eine zu hohe Überschuldung zurückzuführen gewesen und nicht auf finanzielle Forderungen der Ex-Ehegatten.

Von den Umfrageteilnehmenden haben 25 Männer und eine Frau den Landwirtschaftsbetrieb als Selbstbewirtschafter/in weitergeführt. Unabhängig von der Zeitdauer, welche seit der Scheidung vergangen ist, gibt es bei der Entwicklung des Eigenkapitals dieser Betriebe grosse Unterschiede: In 36 % der Fälle ist die jährliche Eigenkapitalbildung im gleichen Rahmen oder höher als vor der Scheidung, je ein Viertel hat eine tiefere Eigenkapitalbildung als noch vor der Scheidung oder sie schwankt jährlich und in 14 % der Fälle ist sie negativ.

Das Leben nach der Scheidung

Auf der persönlichen Ebene gibt es für jede betroffene Person positive und negative Aspekte, welche sie durch den Trennungs- und Scheidungsprozess erfahren haben. Negativ wurden unabhängig vom Geschlecht mit 43 % am häufigsten der Verlust des Familienalltags genannt, gefolgt von der negativen Auswirkung auf die Kinder (40 %). Weiter konnte festgestellt werden, dass Frauen signifikant stärker mit dem Verlust des Umfeldes kämpfen als die Männer. Dem gegenüber betrachten die Männer die höhere Arbeitsbelastung signifikant stärker als negativen Aspekt der Scheidung als Frauen. Trotz des einschneidenden Erlebnisses der Scheidung sind 96 % der befragten Personen, welche mehr als fünf Jahre geschieden sind, im Allgemeinen mit der heutigen Situation zufrieden oder sehr zufrieden.

Die persönliche Zukunft sehen die meisten Befragten positiv, unabhängig davon, wie lange die Scheidung bereits zurückliegt. 38 % der geschiedenen Bäuerinnen und Bauern sind sehr zuversichtlich und 48 % zuversichtlich was ihre Zukunft anbelangt. 12 % sind hin und her gerissen und nur 2 % sind wenig zuversichtlich für die eigene Zukunft. Neue Partnerschaften haben einen positiven Einfluss auf die persönliche Zukunft; Personen, welche wieder in einer Partnerschaft leben, sind signifikant zuversichtlicher.

Erkenntnisse und weiteres Vorgehen

Auch weil die Anzahl Scheidungen in der Landwirtschaft zunehmend ist, ist es wichtig, dass sich die Paare der rechtlichen Konsequenzen, welche sie mit der Eheschliessung eingehen, bewusst sind. Deshalb sollten bereits vor der Hochzeit die rechtlichen Auswirkungen besprochen und gemeinsame Vorkehrungen für den Scheidungsfall getroffen werden. Trotz der Ergebnisse bleibt jede Scheidung ein Einzelfall, bei der zwei Eheleute keine gemeinsame Zukunft mehr sehen und getrennte Wege gehen wollen. Wie sie die Ehe auflösen, die Scheidungsfolgen klären und mit dem einschneidenden Erlebnis umgehen, ist sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab. Die Resultate und Erkenntnisse wurden in einem Hilfsmittel für landwirtschaftliche Familien und Ehepaare verarbeitet, das Direktbetroffene beim Scheidungsprozess unterstützen und fachlich informieren soll.

Christine Burren, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, christine.burren@bfh.ch

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