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Der Weiler Gammen ist eine Enklave aus politischer Sicht und er war lange Zeit eine Enklave aus Bodenverbesserungssicht. Als «Insel» blieb er von landwirtschaftlichen Strukturverbesserungsmassnahmen unberührt. Die längst fällige Landumlegung stiess bei den Betroffenen auf wenig Widerstand und schon bald konnten die sich nach der Gründung der Landumlegungsgenossenschaft abzeichnenden Chancen durch Perimeter- und Projekterweiterungen genutzt werden. Dank der Sicht aufs Ganze von allen Beteiligten entstand ein grosszügiger Wurf, der die individuellen Bedürfnisse mit einem harmonischen Gesamtprojekt umgesetzt hat.

Die Berner Gemeinde Ferenbalm befindet sich rund 20 km westlich der Stadt Bern an der Grenze zum Kanton Freiburg. Der Ortsname «Ferenbalm»bedeutet das von Bern aus gesehene «ferne Balm», also ein weit von Bern entfernter Felsüberhang oder eine Höhle, womit vermutlich eine Sandsteinhöhle unter der Kirche von Ferenbalm bezeichnet wurde. Für Bern hatte Ferenbalm als Aussenposten eine gewisse geostrategische Bedeutung, weil sich die Ortschaft seit dem ausgehenden Mittelalter in einer Grenzlage zum damaligen Savoyen und Burgund mit der Eidgenossenschaft befand.

Ein Dorf, acht Weiler, eine Enklave

Die 1250 Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde verteilen sich auf acht Weiler: Biberen, Ferenbalm, Gammen, Gümmenen, Haselhof, Jerisberg, Rizenbach und Vogelbuch. Der Weiler Gammen nimmt eine spezielle Position ein; er grenzt an die Berner Gemeinden Kriechenwil und Laupen und an die Freiburger Enklave Wallenbuch, nicht aber an seine eigene Heimatgemeinde. Er bildet ebenfalls eine Enklave. Auch bezüglich Bodenverbesserung nimmt der Weiler Gammen eine Sonderstellung ein: Er ist der einzige Gemeindeteil, der noch nicht einer Landumlegung unterworfen wurde. In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgten eine Gesamtmelioration Gümmenen und eine kantonsübergreifende Gesamtmelioration Ferenbalm-Wallenbuch ohne Einbezug des Weilers Gammen. Dementsprechend präsentierte sich die Ausgangslage: Kleinparzellierung, verstreutes Eigentum, ungünstige Parzellenformen und schlechte oder fehlende Erschliessungen beeinträchtigten die Bewirtschaftung. Die sechs Haupt- und sechs Nebenerwerbsbetriebe hatten bereits mit gegenseitigem Abtausch ihrer bewirtschafteten Flächen die Situation zu optimieren versucht, dennoch konnten 153 Bewirtschaftungseinheiten gezählt werden. Das entsprach im Durchschnitt fast 13 Einheiten pro Bewirtschafter. Der Pachtlandanteil betrug im Durchschnitt 30 %; Tendenz steigend.

Die Möglichkeiten einer Landumlegung wurden ab 2005 in Gammen offen diskutiert. Die Reaktionen waren verhalten positiv. Über eine Vorstudie kam es zu einem Vorprojekt, das im September 2011 mit einer Abstimmungs- und Gründungsversammlung der Landumlegungsgenossenschaft seinen Abschluss fand. Die gemäss den gesetzlichen Vorgaben des bernischen Verfahrens über Boden- und Waldverbesserungen nötige Mehrheit der Stimmen der Grundeigentümer und der Flächen im Beizugsgebiet war mit je 80 % grosszügig erreicht. Im Saal wurde eine Zwei-Drittels-Mehrheit erreicht. Die 22 Grundeigentümer, die der Abstimmung fernblieben, wurden gemäss bernischer Gesetzgebung als zustimmend gewertet.

Perimetererweiterungen erhöhen den Zusammenlegungserfolg

Nach der Vergabe der technischen Leitung, der Bodenkartierung und der ökologischen Arbeiten fanden im Frühling 2013 die sogenannten Wunschtage und die Bodenkartierung statt. So allmählich erkannten auch die Grundeigentümer das Potenzial einer Landumlegung und man diskutierte bereits über Perimetererweiterungen. Weil diese einer Vergrösserung von mehr als 10 % des Ursprungsperimeters (115 ha) entsprach, musste der neue Perimeter (160 ha) laut bernischer Rechtspraxis gut zwei Jahre nach der Gründung nochmals aufgelegt werden.

Die Landumlegungsgenossenschaft beabsichtigte Land zu kaufen und für die neuen Wege und die ökologischen Massnahmen einzusetzen, ohne jedoch mit den kaufwilligen Bewirtschaftern in Konkurrenz zu treten. Das Ziel war die Reduktion des allgemeinen Abzuges, der bei jedem Besitzstand für diese Zwecke vorgenommen wird. Tatsächlich konnten einige Verpächter zum Verkauf von insgesamt sieben Parzellen mit einer Gesamtfläche von 2,8 ha bewegt werden. Der allgemeine Abzug betrug schlussendlich 3 %.

Für die Parzellenerschliessung wurden 4100 m Kieswege mit einer Ausbaubreite von 3,0 m und 920 m untergeordnete Graswege (eingekoffert) vorgesehen. Ein kurzes steiles Teilstück von 80 m wurde mit Rasengittersteinen ausgebaut. Befestigte Beläge konnten mit einer Erschliessung einer Wohnliegenschaft und einer Gärtnerei mit 300 m auf ein Minimum beschränkt werden. Im Gegenzug wurden 2200 m alte Wege zurückgebaut. Die Wegedichte beträgt 34 m pro Hektare, dies bei maximalen Schlaglängen von 350 m. Die Wege werden auch in Zukunft durch die Anstösser unterhalten, folglich wird die Bodenverbesserungsgenossenschaft nach Abschluss des Unternehmens in eine Unterhaltsgenossenschaft überführt werden müssen. Eine Übernahme von Bewirtschaftungswegen durch die Einwohnergemeinde ist im Kanton Bern eher selten.
 

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Vorbereitung für das Versetzen der Rasengittersteine. Ein negatives Dachprofil leitet das Wasser zu einer wasserführenden Mittelrille ab.

Schwerpunkt Rainbächli, Biodiversitätsflächen und Trittsteine

Das ökologische Konzept sah vor, einen Anteil Biodiversitätsförderflächen BFF von 12 % zu erreichen; einerseits mit im Grundbuch festgesetzten Nutzungseinschränkungen oder auf freiwilliger Basis auf Flächen, welche für die intensive Bewirtschaftung weniger geeignet sind. Aquatische Massnahmen konzentrierten sich auf das teilweise eingedolte Rainbächli, das von West nach Ost durch den Perimeter verläuft. Die komplette Ausdolung konnte dank finanzieller Unterstützung durch einen Ökofonds der Bernischen Kraftwerke (BKW) realisiert werden. Im oberen Bereich bilden wechselfeuchte Mulden und ein neuer Teich in einer ehemaligen Vernässung das Schwergewicht. Im unteren Bereich wurde auf einer Fläche von knapp 40 Aren eine grosszügige Wasserlandschaft neu geschaffen. Insgesamt wurde auf einer Länge von 1400 m ein Gewässer ausgedolt oder ein bestehendes aufgewertet.
 

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Offenlegung des Rainbächlis (noch ohne Bepflanzung)


Die Nord-Süd-Vernetzung wurde mit einer Konzentration von Biodiversitätsförderflächen am Hang, der die Ebene der Sense mit dem Hochplateau von Gammen verbindet, erreicht. Auf dem Hochplateau sorgen extensive Wiesen und Buntbrachen sowie Einzelbäume und Baumgruppen für die übrigen nötigen Aufenthaltsräume und für die Vernetzung von Flora und Fauna.

Stärkung der Hochstamm-Feldobstgärten

Der Weiler Gammen befindet sich im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung ISOS. Das Landschaftsbild ist im Bereich des Weilers geprägt von Hochstamm-Feldobstbäumen. Viele davon befanden sich in einem ungenutzten und überalterten Zustand. Die Befürchtung, dass viele der Bäume nach dem Neulandantritt verschwinden werden, hat sich bewahrheitet.

Vorausschauend wurde die Neupflanzung von Hochstamm-Feldobstbäumen durch die Genossenschaft mit Überzeugungsarbeit, mit einer kostenfreien Lieferung von Jungbäumen und bei Bedarf mit einer Hilfestellung bei der Pflanzung gefördert. Mit der Landumlegung konnte schliesslich der Baumbestand gegenüber der Ausgangssituation von 45 Objekten auf 76 gesteigert werden.
 

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Ein Bereich der neu gepflanzten Hochstamm-Feldobstbäume

Entfernung von Strommasten setzen den Punkt aufs «i»

Erst sehr spät in der Realisierungsphase wurden nach längeren Verhandlungen mit der BKW der Genossenschaftsversammlung ein Projekt und ein Finanzierungsplan für die Erdverlegung der Mittelspannungsleitung und für die Entfernung von rund 100 Holzstangen im Perimeter vorgelegt. Ursprünglich nicht vorgesehen, konnte eine weitere Bewirtschaftungserleichterung und eine Verbesserung des Landschaftsbildes erreicht werden.

Kostenstruktur des Projekts

KostenartFr.
Voraussichtliche Gesamtkosten2 565 000
Kosten pro Hektare16 030
Subventionen Bund und Kanton1 565 000
Gemeindebeitrag pauschal200 000
Beitrag BKW-Oekofonds pauschal65 000
Beiträge Dritter an Erdverlegung Mittelspannungsleitung73 000
Beiträge der Grundeigentümer an die Erdverlegung Mittelspannungsleitung66 300
Voraussichtliche Restkosten595 700
Durchschnittliche Restkosten pro Hektare 3 720

Fazit

Der Zusammenlegungserfolg in Gammen ist im Vergleich zu anderen Gesamtmeliorationen relativ hoch. Die einfachen räumlichen Verhältnisse im Perimeter und die Kooperation der überwiegenden Zahl der Beteiligten machten dies möglich. Die Grundeigentümer trugen den Gedanken der strukturellen Förderung der Landwirtschaft stark mit, zum anderen konnte unter den Bewirtschaftern eine starke Solidarität und Gemeinschaft festgestellt werden, was es der Schätzungskommission und der technischen Leitung erleichterte, aus den individuellen Vorstellungen der Einzelnen ein stimmiges Ganzes zu schaffen. Die Stimmigkeit äussert sich in der relativ hohen allgemeinen Zufriedenheit und in Zahlen: Die Anzahl der landwirtschaftlichen Parzellen konnte fast um den Faktor 3 verringert werden. Die Anzahl der Bewirtschaftungseinheiten reduzierte sich auf 22. Das bedeutet weniger als 2 Einheiten pro Bewirtschafter (vgl. folgende Tabelle).
 

Technische Daten der Landumlegung Gammen

 Perimeter im Alten BestandPerimeter nach Neulandantritt
Fläche160 ha160 ha
Anzahl Grundeigentümer6961
Anzahl Parzellen300144
davon Kulturland, Hofraum283108
Ø Anzahl Parzellen pro Grundeigentümer4,42,4
Ø Fläche pro Parzelle53 Aren111 Aren
Anzahl Bewirtschaftungseinheiten15322
Ø Anzahl Bewirtschaftungseinheiten
pro Bewirtschafter
12,81,8
Ø Fläche pro Bewirtschaftungseinheit105 Aren727 Aren


Damit hat der Landwirtschaftskanton Bern auch im fernen Balm die Gewissheit, dass dort seine Bauern und Bäuerinnen ihre Betriebskosten senken konnten und für die Zukunft besser gerüstet sind.
 

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Wasserlandschaft Gammenau als Schwerpunkt der aquatischen Massnahmen (noch ohne Bepflanzung)

Stefan Kempf, Projektleiter, Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern; stefan.kempf@vol.be.ch

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