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Eine von drei in der Landwirtschaft tätigen Personen ist eine Frau. Es wäre deshalb nichts als richtig, dass die Frauen sich ebenso wie die Männer zur Zukunft der Landwirtschaft äussern und diese mitgestalten könnten. In der Realität ist die Beteiligung von Frauen in Leitungsgremien von landwirtschaftlichen Organisationen aber nach wie vor meist gering.
 

Frauenanteile der Leitungsgremien zufällig ausgewählter landwirtschaftlicher Organisationen (Stand Mai 2019)

 Anzahl Frauen
im Vorstand
%-Anteil Frauen
im Vorstand
Schweizerischer Getreideproduzentenverband (Vorstand)0 von 340 %
Verband der Schweizer Milchproduzenten (Vorstand)0 von 220 %
Sortenorganisation Gruyère (Vorstand)0 von 130 %
Schweizer Bauernverband (Vorstand)2 von 248 %
Schweizerische Vereinigung der selbsteinkellernden
Weinbauern (Vorstand)
1 von 128 %
Chambre neuchâteloise d’agriculture et de viticulture (comité)3 von 2313 %
Uniterre (comité)3 von 1619 %
Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (Vorstand)2 von 1020 %
Bio Suisse (Vorstand)2 von 728 %
Bundesamt für Landwirtschaft (Geschäftsleitung)2 von 633 %
AgriJura, Chambre jurassienne d’agriculture (comité)3 von 933 %
Strickhof (Geschäftsleitung)5 von 1145 %
Verein Ferien auf dem Bauernhof (Vorstand)8 von 1362 %

Quelle: Internet-Recherche vom 2. Mai 2019


Eine höhere Frauenbeteiligung in landwirtschaftlichen Organisationen ist nicht nur aus der Forderung nach Gleichstellung geboten. Studien zeigen, dass mehr Frauen in Leitungsgremien auch den betroffenen Organisationen selber Chancen eröffnen und konkrete Vorteile bringen: hohes Innovations- und Problemlösungspotenzial, mehr Effizienz und Produktivität, grösseres Rekrutierungspotenzial und offene und zukunftsorientierte Unternehmenskultur.

Projekt «Partizipation von Frauen in landwirtschaftlichen Organisationen»

2014 wurde das Projekt PFO «Partizipation von Frauen in landwirtschaftlichen Organisationen» lanciert, um Denkanstösse weiterzuentwickeln, die im Rahmen von zwei anderen Projekten erarbeitet worden waren: «Kampagne FuMidL» (Frauen und Männer in der Landwirtschaft – Zusammenleben bewusst gestalten) sowie «Projekt FARAH» (Femmes en Agriculture, Responsables et Autonomes en complémentarité avec les Hommes).

Das mit einem gesamtschweizerischen Fokus lancierte Projekt PFO baute auf diesen beiden Projekten auf und setzte sie durch konkrete Aktionen fort. Die unter der Leitung von AGRIDEA zusammen mit verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen geleistete Projektarbeit wurde vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) finanziell unterstützt.

Wie lässt sich mehr Frauenbeteiligung aber konkret umsetzen? Indem einerseits Kompetenzen und Legitimation der Frauen in der Landwirtschaft gestärkt und anderseits Problembewusstsein und Lösungsorientierung der landwirtschaftlichen Organisationen gefördert werden. In einem partizipativen Entwicklungsprozess wurden zusammen mit verschiedenen Partnerorganisationen ab Mitte 2015 konkrete Massnahmen zur Förderung der Frauenbeteiligung geplant und umgesetzt.
 

Individuelle FrauenförderungSensibilisierung landwirtschaftlicher Organisationen
Bildungsangebot «Kompetent engagiert»:
Ein zweieinhalbtägiges Bildungsangebot
für Frauen: mit Online-Austausch zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Abschluss der Ausbildung, inhaltliche Inputs und Diskussionen, Erfahrungsaustausch sowie zahlreiche intensive Übungsmöglichkeiten für Auftritte, Videoanalyse & Feedback.
→ SBLV (Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband) / «Kompetent engagiert»
Wirkungsprüfung der «Charta für eine ganzheitliche Beratung auf dem Landwirtschaftsbetrieb»:
Wie wirkt sich die BFS-Charta (BFS = Beratungsforum Schweiz) auf die Beratungspraxis des Inforama Bern und auf die Einbindung von Frauen aus? Was lernen wir daraus für eine ganzheitliche und geschlechterausgewogene Beratung?
→ Inforama / «Wirkungsprüfung BFS-Charta»
Kursreihe zum Engagement in der Romandie:
Zwei Ausbildungstage für Frauen unter dem Motto «Ich habe etwas zu sagen, mein Mitwirken bringt das öffentliche Leben weiter!»
→ AGORA, ARPP (Association romande des paysannes professionnelles), Prométerre / «Engagement»
Rekrutierung in landwirtschaftlichen Organisationen:
Gemeinsame Publikationen und Veranstaltungen und weitere Handlungsmöglichkeiten von Organisationen für mehr Frauenbeteiligung.
→ UPN (Union des paysannes Neuchâteloises)/ «Rekrutierung»
Frauen vernetzen und Vorbilder aufzeigen:
Kern der Massnahme sind kurze Videos (Französisch mit deutschen Untertiteln), in denen engagierte Frauen der Union des paysannes Neuchâteloises (UPN) die Hauptrolle spielen. Sie erzählen von ihrem Werdegang, ihren Motivationen und davon, was ihnen das Engagement bringt. Ziel: Weitere Frauen zum Engagement ermutigen.
→ UPN / Filmserie «Engagées»
Aufarbeitung der Fusion zum Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband LBV:
Wie verlief die Fusion und wie wirkte sie sich auf die Beteiligung von Frauen aus? Was lässt sich daraus für die Weiterentwicklung auf dem Weg hin zum gleichwertigen Miteinander von Bauern und Bäuerinnen im gemeinsamen Verband ableiten?
→ LBV / «Fusion LBV»

Evaluation der Partizipation von Frauen im Schweizer Bauernverband SBV:
Eine Bestandsaufnahme der Beteiligung von Frauen in den Vorständen der Organisationen des SBV auf unterschiedlichen Niveaus sowie konkrete Vorschläge, um die Situation zu verbessern.
→ SBV / «Frauenbeteiligung SBV»


Gegen Ende der Projektarbeit kam unter den Projektpartnerinnen der Wunsch auf, eine Schlussdeklaration aufzusetzen: Ein Bekenntnis der unterzeichnenden landwirtschaftlichen Organisationen zur aktiven Förderung der Frauenbeteiligung innerhalb ihrer Strukturen. In mehreren Verhandlungsrunden wurde um die passende Formulierung gerungen – schliesslich konnte die PFO-Schlussdeklaration am Abschlussevent des Projekts Ende 2018 von sieben landwirtschaftlichen Organisationen signiert werden: AGORA, AGRIDEA, ARPP, fenaco Genossenschaft, Inforama, SBLV und SBV.

Das Fazit aus den drei Projektjahren und den sieben Pilotprojekten lautet:

  • Bäuerinnen wollen aus eigener Kraft ihren Platz in den landwirtschaftlichen Organisationen erkämpfen;

  • Spezifische Weiterbildungen für einstiegswillige Frauen stärken Kompetenzen und Selbstvertrauen;

  • Die Vernetzung mit anderen Frauen auf dem Weg in die Gremien motiviert und ermutigt;

  • Die vertiefte Zusammenarbeit mit «männlichen» Organisationen eröffnet Chancen für Männer und Frauen.

Einige Pilotmassnahmen des Projekts PFO werden nach dessen Abschluss weitergeführt:

  • Bildungsmassnahmen: Der SBLV in der Deutschschweiz sowie AGORA, ARPP und Prométerre in der Romandie werden zusammen mit AGRIDEA die PFO-Kurse weiterentwickeln und auch 2019/2020 anbieten;

  • PFO Schlussdeklaration: Die Kampagne FuMidL will aktiv weitere Unterzeichnende der Deklaration rekrutieren;

  • Schlussbericht PFO: AGRIDEA hat den Projektbericht PFO als E-Book online verfügbar gemacht und wird das Dokument bei Bedarf weiterhin aktualisieren.

    → vollständiger Projektbericht PFO (E-Book)

Eines ist klar: Gleichstellung kann nur dann gelingen, wenn sie von den Männern und Frauen in den landwirtschaftlichen Organisationen gleichermassen als wichtig eingestuft und gemeinsam in Angriff genommen wird.

Ueli Straub, AGRIDEA, Gruppe Betrieb, Familie, Diversifizierung, ulrich.straub@agridea.ch

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