Passende Unterkünfte für Hirtenpersonal auf Schafalpen
Die Gruppe SchafAlp besteht aus den vier Partnern Pro Natura, Schweizerischer Schafzuchtverband, WWF und Agridea und hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsame Projekte in der Schafsömmerung zu initiieren und durchzuführen, um damit einen Beitrag zu einer nachhaltigen Schafsömmerung und zum Herdenschutz zu leisten. Sie hat im Rahmen des interdisziplinären Projekts «Unterkunftsprogramm SchafAlp» die Thematik rund um passende Unterkünfte für Hirtenpersonal auf Schafalpen mit finanzieller Unterstützung der Bundesämter BAFU und BLW aufgearbeitet. Neben dem Wissenstransfer auf verschiedenen Ebenen sind als weitere Hauptprodukte der Leitfaden «Unterkunftsprojekte auf Schafalpen» sowie die Standardunterkunft «Lana» in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau entstanden.
Im Alpsommer 2017 wurden in der gesamten Schweiz etwa 22 600 Normalstösse (NST) Schafe gesömmert. Davon sömmerten mit 59 % deutlich mehr als die Hälfte der NST in ständiger Behirtung, 17 % in Umtriebsweide und 24 % in Standweide (vgl. folgende Abbildung). Seit dem Jahr 2004 hat sich der Anteil an gesömmerten NST Schafen in ständiger Behirtung etwas mehr als verdoppelt. Für die Alpen mit ständiger Behirtung und teilweise auch für Alpen mit Umtriebsweide, sofern Hirten permanent vor Ort sind, werden passende Unterkünfte für das Hirtenpersonal in der Nähe der Schafe benötigt. Es kommt jedoch vor, dass sich die vorhandenen Unterkünfte in einem mangelhaften oder für das Landschaftsbild unerwünschten Zustand befinden oder dass sie zu weit von den Weideflächen entfernt liegen. Hinzu kommt, dass Schafhaltung und Schafalpung derzeit wegen des Umfeldes (Agrarmärkte, Grossraubtierdruck usw.) vor grossen Herausforderungen und teilweise auch vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Deutlich mehr als 50 % aller Schafe werden in ständiger Behirtung gehalten
In sieben Schritten zur Realisation
Die beschriebene Ausgangslage und die besonderen Ansprüche an Unterkünfte auf Schafalpen (wie oftmals abgelegene Standorte oder die benötigte Unterkunftsausstattung) stellen spezielle Anforderungen an Unterkunftsprojekte (wie Neu-, Um- oder Anbauten) auf Schafalpen. Um diesen speziellen Anforderungen auf allen Ebenen gerecht zu werden, wurde im Rahmen des interdisziplinären Projekts «Unterkunftsprogramm SchafAlp» der Leitfaden «Unterkunftsprojekte auf Schafalpen» erarbeitet. Dieser Leitfaden richtet sich sowohl an Trägerschaften von Unterkunftsprojekten (Eigentümer, Bewirtschafter von Schafalpen), wie auch an den kantonalen Vollzug, die Beratung und an nicht öffentliche Finanzgeber. Er zeigt in sieben Schritten auf, wie von der Projektidee bis zur Realisierung vorgegangen werden kann:
Schritt 1: | Der Kanton wird über die Projektidee informiert; |
Schritt 2: | Der Bedarf an der geplanten Unterkunft/Unterkünfte im Rahmen eines Alpkonzepts (mit Bedarfsnachweis) wird aufgezeigt; |
Schritt 3: | Das Vorhaben und das weitere Vorgehen werden mit dem Kanton, dem das Alpkonzept mit dem Bedarfsnachweis vorgängig zugestellt wurde, besprochen. Reichen die Inhalte des Alpkonzeptes nicht aus um den Bedarf an einer Unterkunft/Unterkünften aufzuzeigen, muss dieses überarbeitet oder ergänzt werden oder es kann zum Abbruch des Vorhabens führen; |
Schritt 4: | Die Unterkunft/Unterkünfte und deren Finanzierung werden im Detail geplant; |
Schritt 5: | Die Baueingabe erfolgt; |
Schritt 6: | Die Baubewilligung wird erteilt; |
Schritt 7: | Die Unterkunft/Unterkünfte werden realisiert. |
Der Leitfaden bezieht sich primär auf Schafalpen, er kann aber auch für andere geplante Infrastrukturprojekte in der Land- und Alpwirtschaft angewendet werden. Er ist online unter folgendem Link abrufbar.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Im Rahmen dieses interdisziplinären Projekts «Unterkunftsprogramm SchafAlp» wurde des Weiteren die Standardunterkunft «Lana» in Zusammenarbeit mit Studierenden und Lehrpersonen der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (BFH-AHB) entwickelt. Das Grundprinzip der Standardunterkunft «Lana» basiert auf der Modulbauweise. Es gibt ein Wohn- und ein Lagermodul mit jeweils einem Grundriss von 2 x 3 Metern Innenmass (vgl. folgende zwei Abbildungen).
Skizze des Wohnmoduls
Skizze des Lagermoduls
Je nach Bedarf und Nutzungsdauer können die Module einzeln oder kombiniert zum Einsatz kommen (vgl. folgende zwei Abbildungen). Durch die Möglichkeit der Verwendung von unterschiedlichen Baumaterialien können die Module sowohl «mobil» wie auch «permanent» zum Einsatz kommen. Bei der mobilen Bauweise werden leichte Materialien verwendet, sodass die einzelnen, leeren Module bei einem Gewicht von 850 kg mit einem «kleinen» Helikopter transportiert werden können. Bei der mobilen Nutzung kann die Unterkunft während des Sommers versetzt werden und sie muss zur Überwinterung ins Tal geflogen werden. Bei der permanenten Bauweise werden vorwiegend standardmässige (Holz-) Materialien verwendet. Die einzelnen Module müssen bei einem Gewicht von über 1000 kg mit einem «grossen» Helikopter transportiert werden. Bei der permanenten Nutzung bleibt die Unterkunft an einem festen Standort auf der Alp und überwintert auch dort.
Kombination von Wohn- und Lagermodul
Kombination von je 2 Wohn- und Lagermodulen
Für den Transport mit dem Helikopter wie auch für die spätere Befestigung am vorgesehenen Standort werden je Modul vier Elementeschrauben auf dem Dach verwendet. Jede dieser Elementschrauben befindet sich am Ende einer Gewindestange, welche via Wandkonstruktion über eine Grundplatte im Dach und eine weitere Grundplatte an den äusseren Stützfüssen führt. Für die Verankerung im Boden können Felsanker, Schraubenfundamente oder sogenannte Totmannanker verwendet werden.
Vollständig ausgerüstete Module
Die technische Ausstattung beider Module kommt aus dem Campingbereich. Das Wohnmodul ist standardmässig ausgestattet mit einem 70 x 70 cm Holztisch, zwei Holzhockern, einem Stockbett mit einer Liegefläche von jeweils 80 x 200 cm, einer Spüle und zwei Gasfeldern zum Kochen, die jeweils mit einer Glasabdeckung ausgestattet sind, damit sie auch als Arbeitsplatte verwendet werden können. Weiter gibt es ein Regal mit vier Ablagefächern und einen Kleiderschrank, dessen Boden mit sechs Lüftungsgittern ausgestattet ist, durch die warme Luft zum Trocknen nasser Schuhe und Kleidung strömen kann (vgl. folgende Abbildung). Die Gasflasche ist unter der Spüle verstaut. Das Wohnmodul enthält standardmässig eine gasbetriebene Heizung, mit der sowohl das Wohn- und Lagermodul wie auch der Kleiderschrank geheizt, als auch Warmwasser bereitgestellt werden kann. Ebenfalls gibt es einen 126 Liter Kunststoff-Wassertank, in dem das Dachwasser aufgefangen werden kann. Heizung und Wassertank befinden sich beide unter dem Stockbett. Weiter gibt es ein Solarmodul vom Typ MT 190, welches auf kleiner Fläche einen optimalen Ertrag generiert und beständig ist gegenüber Hagel, grossen Temperaturschwankungen und hohen Windgeschwindigkeiten und in Kombination mit einer leistungsstarken Batterie und einem Wechselrichter zum Einsatz kommt. Ebenfalls gibt es einen Gasmelder, der ein akustisches Signal bei erhöhten Anteilen an Kohlenmonoxid, Butan/Propan oder Narkosegasen abgibt.
Inneneinrichtung des Wohnmoduls
Das Lagermodul beinhaltet standardmässig ein Regal von 60 x 200 cm und ein Regal von 40 x 117 cm zum Lagern von Material und Esswaren sowie eine Trockentoilette, die nach dem Prinzip der Trennung von Flüssigkeit und Feststoffen funktioniert. Zudem hat das Lagermodul einen überdachten 100 x 200 cm Vorplatz, der sowohl beim Lagermodul separat wie auch bei Kombination von Lager- und Wohnmodul einen trockenen Ein- und Ausgangsbereich bietet.
Der Preis der Module liegt gemäss Abklärungen der BFH-AHB inklusive aller oben genannten Ausstattungen jeweils bei den mobilen Varianten bei 44 000 Franken für das Wohnmodul, bei 26 000 Franken für das Lagermodul und zusammen entsprechend bei 70 000 Franken. Bei Mehrfachproduktion kann sich der Preis gegebenenfalls noch reduzieren. Die permanenten Varianten werden aufgrund des standardisierten Materials preislich etwas günstiger abschneiden.
Die Eignung der Unterkünfte soll anhand von verschiedenen, wissenschaftlichen Untersuchungen durch die BFH-AHB und Rückmeldungen des Hirtenpersonals evaluiert werden. Gegebenenfalls sollen bauliche Anpassungen an den Unterkünften vorgenommen werden. Zudem ist vorgesehen, Informationsmaterial zur Standardunterkunft «Lana» in verschiedener Form für alle Beteiligten zur Verfügung zu stellen und den Wissenstransfer zu den Trägerschaften von Unterkunftsprojekten, den kantonalen Landwirtschaftsämtern sowie weiteren Interessierten zu gewährleisten.
Aktuell gibt es zwei Holzbaubetriebe, welche die Standardunterkunft «Lana» produzieren. Das ist die Morerod Charpente SA in Les Diablerets VD, Tel. 079 453 54 54 und die Uffer AG in Savognin GR, Tel. 081 660 30 00.
Cornel Werder, Büro Alpe – Beratung für die Alpwirtschaft; cornel.werder@alpe-beratung.ch
Helen Willems, Büro Alpe – Beratung für die Alpwirtschaft; helen.willems@alpe-beratung.ch
Thomas Rohner, Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau; thomas.rohner@bfh.ch
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